Kontingenz (???) und Lebensangst
Erstellt von r.ehlers am Samstag 12. Juli 2014
„Normal“ ist der Mensch, der in der Lage ist, das Leben klaglos so zu nehmen, wie es kommt.
Ein Mensch, der von der K o n t i n g e n z im Leben gequält wird, ist es nicht. Nach landläufiger Vorstellung ist er vielmehr psychisch gestört und bedarf der psychiatrischen Behandlung. Früher hieß das: ab in die Irrenanstalt!
Die meisten Fremdwörter in der deutschen Sprache haben den Nachteil, dass sie voneinander nur durch den einen oder anderen Buchstaben unterschieden werden und nicht durch eine andere bildhafte Anschauung. Um da durchzufinden, müssen wir sehr genau hinsehen und vokalbelmäßig lernen, dass Kontingenz mit Kontinenz nichts zu tun hat, auch nicht mit Koinzidenz, Kohärenz, Konsistenz und Konvergenz. Bei diesen anderen Begriffen geht es ja um die Fähigkeit der Beherrschung von Schließmuskeln des Körpers, dem zeitlichen oder räumlichen Zusammentreffen von Dingen, ihrem Zusammenhängen, ihrer spezifischen Beschaffenheit oder ihrer Widerspruchsfreiheit und schließlich um ihr planmäßiges Zusammenlaufen. Von all diesen Begriffen ist der der Kontingenz (der natürlich auch mit dem geographischen Begriff des Kontinents nichts zu tun hat) der am wenigsten gebräuchliche.
Konvergenz ist immerhin der Gegenbegriff zur Kontingenz. Sie nimmt an, dass alles im Leben folgerichtig, berechenbar und absehbar ist. Im Sinne der Konvergenz gibt es keine Zufälle.
Kontingenz dagegen meint die prinzipielle Offenheit und Ungewissheit aller Lebenserfahrungen. Der führende Systemtheoretiker Niklas Luhmann beschreibt das so:
„Kontingent ist etwas, was weder notwendig ist noch unmöglich ist; was also so, wie es ist (war, sein wird), sein kann, aber auch anders möglich ist. Der Begriff bezeichnet mithin Gegebenes (zu Erfahrendes, Erwartetes, Gedachtes, Phantasiertes) im Hinblick auf mögliches Anderssein; er bezeichnet Gegenstände im Horizont möglicher Abwandlungen.“
Erkenntnisse der neueren Pholosophie, Soziologie, Psychologie und der Evolutionstheorie, aber auch der Physik lassen annehmen, dass wir im Prinzip wirklich mehr von der Ungewissheit aller menschlichen Erkenntnis ausgehen müssen.
Aber: Selbst da wo eine Berechenbarkeit plausibel erscheint, ist es im tiefen Grunde immer so, dass wir dies mit unseren begrenzten Erkenntnismöglichkeiten nicht sicher ausmachen können.
Daran schließt sich die Frage an: Sind wir von der Natur oder wem immer her dazu verdammt, angesichts der überall vorherrschenden Unsicherheiten ein Leben voller Angst zu führen?
Jedem am Thema Angst und Zwang Interessierten, natürlich besonders den Betroffenen, lege ich einen Besuch der Website von Dr. Ing. Thilo Thissenhusen nahe, der ergänzend zu den bekannten Ratgeberbüchern wertvolle Erkenntnisse gewonnen hat und praktische Hinweise gibt :
http://thiessthi.gmxhome.de/Content01/Aengste/Angstzirkus.html
Dr. Thissenhusen erklärt, dass eine Änderung des Blickwinkels die Probleme entscheidend vereinfachen kann, eine Erkenntnis, die von der kognitiven Verhaltenstherapie bestätigt wird:
„Mit Systemverständnis, Selbstwahrnehmung und Ausdauer kann man erstaunliche Erfolge erzielen. Auf diesen Seiten finden Sie Hintergrundwissen und Erfahrungen im Umgang mit Ängsten, Depressionen, traumatischen sozialen Erfahrungen und ihren Folgeerscheinungen.“
In aller Bescheidenheit will ich ergänzend darauf hinweisen, dass das Aufkommen von Ängsten, Depressionen und Traumata nicht entsteht ohne besondere mentale Geneigtheit. Die Tendenz, soziale Erfahrungen zu lebensbestimmenden Traumata werden zu lassen, kommt nicht von irgendwo her. Sie ist dem Menschen auch nicht in die Wiege (in seine Gene) gelegt worden.
Vielmehr haben wir als fühlende und denkende Wesen im Verlaufe der Evolution nur überlebt, weil sie die Wege eingerichtet hat, uns psychisch stabil zu halten. Die Werkzeuge, deren sich die Natur zu diesem Zwecke bedient, sind die Gehirnbotenstoffe, allen voran das Schlüssel- und Wohlfühlhormon Serotonin!
Hat es also an der zentralnervösen Verfügung über Serotonin gelegen, dass sich psychische Störungen überhaupt erst eingenistet haben, bietet es sich an, zunächst einmal dafür zu sorgen, dass aus dieser Richtung keine neuen Störungen aufkommen. Viele erheblich Betroffene stellen allerdings fest, dass die Anhebung des zerebralen Serotoninspiegels, wie der Verzehr nativer Kost das möglich macht, die schädlichen Folgen der einmal entstandenen Störungen nicht gleich beseitigt und weitere Hilfen unbedingt geboten sind.